Ein Teppich aus Schurwolle

Die Wolle besaß eine besondere Bedeutung für ihre Besitzerin. Sie stammte von ihren eigenen Schafen, die sie als junge Frau gehütet hatte. Der Sack mit der handgesponnenen und zu Knäulen aufgewickelten Schurwolle in den Naturfarben grau, weiß und schwarz-braun hatte über Jahrzehnte auf einem Dachboden gelegen. Nun sollte in der Webstube der Werkstatt Weddingstedt daraus ein Webteppich gemacht werden.

Man kann ja aus allen möglichen Materialien Teppiche weben, aber dieses Garn war eher zum Stricken und nicht für einen Teppich geeignet, für dessen Herstellung man ja ein entsprechend starkes Garn benötigt.

 

"Kann man nicht doch ...? Irgendwie ...?"
Naja, man könnte mehrere Fäden bündeln und diese Bündel als Schuss oder Kette auf dem Webstuhl verarbeiten.

Man müsste einfach mal einen Versuch machen, was auf dem Webstuhl geht.

 

Abbildungen 1 bis 3   Die ersten Versuche wurden auf einem Schulwebrahmen durchgeführt. Damit das Webbild besser hervortritt, wurde für die Fadenbündel abwechselnd rote und graue Wolle verwendet.

Abbildungen 1 und 2   Die Kettfäden bestehen aus festem Teppichkettgarn. Sie sind in verschieden großen Abständen angeordnet. Der Schuss wurde mit Fadenbündeln unterschiedlicher Fadenzahl bzw. Fadenstärke durchgeführt.

Abbildung 3  Hier wurden die Fadenbündel (abwechselnd graue und rote Wolle) als Kette aufgespannt.

 

Abbildungen 4 und 5   Die Fadenbündel der Kette bestehen jeweils aus acht Fäden. Der Teppichkettfaden aus Baumwolle wurde hier zum Schussfaden.

Abbildung 6   Zum Vergleich wurden zwei schmale Gewebestreifen gewebt. Das Gewebe links enthält neun Fadenbündel, das rechte Gewebe besteht aus acht Bündeln. Sollen die Seitenbündel wie beim linken Gewebestreifen gleichfarbig sein, muss die Kette eine ungerade Anzahl von Fadenbündeln besitzen.

 

Abbildungen 7 und 8   Werden die Wollfadenbündel durch das Schussgarn fest zusammengezogen, entsteht ein Webbild mit kleinen rautenförmigen Farbtupfern, die das Schussgarn verdecken. Ein entsprechendes Webbild haben wir schon beim Bandweben mit dem Webkamm gesehen (siehe oben). Das Gewebe wird als Kettenrips bezeichnet und entspricht einer Leinenbindung, die sich am Webstuhl mit zwei Schäften und zwei Tritten realisieren lässt.

Abbildung 9   An den Quasten der Gewebestreifen kann man erkennen, wie stark die Wollfäden zusammengezogen wurden.

 

Da es deutlich einfacher war, eine Kette aus Wollfadenbündeln mit einem starken Baumwollteppichgarn zusammenzuziehen, baute der nächste Versuch am Webstuhl auf dieser Erkenntnis auf. Es sollte nun herausgefunden werden, aus wievielen Fäden der zu verwebenden Wolle die Kettfadenbündel sinnvollerweise bestehen können.

Abbildung 10   Zuerst mussten die Fadenknäule auf Spulen gewickelt werden. Das ging mit Hilfe einer Handbohrmaschine zügig voran.

Abbildungen 11 und 12   Vier Fäden wurden gleichzeitig vom Spulengestell auf den Schärbaum gewickelt. Fadenkreuze waren bei der relativ kurzen Kette nicht nötig, da die Kettfadenbündel einzeln abgenommen wurden.

Abbildungen 13 und 14   Für den ersten Versuch am Webstuhl enthielten die einzelnen Bündel der Kette jeweils sechzehn Fäden. Eine kleine Anzahl dieser Bündel wurde nun am Hilfsstab des Kettbaums befestigt und über die Kontermarsch gehängt, damit sie nicht beim weiteren Aufbäumen störten.

Abbildung 15   Die Fäden der Kettfadenbündel wurden nun auf die Litzen der acht Schäfte verteilt und in die Riete des Webkamms eingezogen. Der Webkamm hatte die Größe 40/10, also vier Riete pro Zentimeter. Pro Riet liefen nun 16 Wollfäden. Der Teppich sollte schließlich schön dick werden und die Füße gut warm halten.

 

Abbildungen 16 und 17   Ob das wohl gut geht? Die Wollfäden lagen sehr kompakt in den Rieten des Webkamms. Beim Versuch, die Schäfte zu bewegen, entstand ein ordentliches Fadengewussel.

Abbildungen 18 und 19   Nun wurden die Litzen auf nur vier Schäfte verteilt und nach und nach die Anzahl der Kettfäden pro Bündel reduziert, bis sich der Webstuhl bei acht Kettfäden pro Fadenbündel und zwei Fäden pro Litze leicht bedienen ließ.

Abbildung 20   Das Fach öffnete sich jetzt gut. Schade ist nur, dass der Teppich nun deutlich dünner werden würde als gehofft.

Abbildung 21   ... zeigt die Aufreihung der Kettfäden auf einem Hilfsstab, auf dem die Fäden leichter zu ordnen und verschieben sind als auf dem Kettstab, da er nur an seinen Enden durch zwei Befestigungsbänder gehalten wird.

 

Abbildungen 22 und 23   Am Warenbaumstab wurden die Kettfadenbündel mit aufziehbaren Schlingen befestigt.

Abbildung 24   Bei so vielen Fäden kann schon mal in der Reihenfolge der Litzen ein Fehler unterlaufen. Hier musste ein Fadenpaar einer neu eingeknoteten Litze zugeordnet werden. Die nun kettfadenlose Litze (links vorne vor der neuen Litze) kann belassen werden. Sie stört nicht.

Abbildungen 25 und 26   Auch so etwas kann passieren. Die alten Aufbindungen der Schäfte und Tritte halten irgendwann den Belastungen nicht mehr stand und reißen.

Abbildung 27   Aber der Webvorgang lässt sich durch solche Widrichkeiten nicht aufhalten. Anstelle eines Webschiffchens wurde nun eine Webnadel benutzt, da sich das Schiffchen nur schlecht durch die Fächer schießen ließ. Damit die Wolle das Webstück nicht zu sehr zusammenzieht, wurde ein Breithalter eingesetzt.

 

Abbildungen 28 und 29   Man sieht deutlich, dass die Kettfadenbündel nicht so fest zusammengezogen wurden wie bei den Probegeweben auf dem Schulwebrahmen. Die Schussfäden aus Baumwolle stören aber nicht. Sie verleihen dem Gewebe Struktur.

Abbildungen 30 und 31   Auch die Webnadel war für die Breite des Teppichs etwas zu kurz. Mit einem schnell angefertigten Hilfsstab ließ sich die Webnadel jedoch gut durch die Fächer schieben.

Abbildungen 32 und 33   Das Weben ging nun schnell voran. Der Aufwand stand - wie zu erwarten war - in keinem Verhältnis zu den langwierigen Vorbereitungsarbeiten. Bald war das Ende der Kette an den Schäften angekommen.

 

Abbildungen 34 und 35   Der Teppich konnte aus dem Webstuhl genommen ...

Abbildungen 36 bis 38   ... und die Fransen verknotet und auf gleiche Länge geschnitten werden. Ein kleiner Fransenzopf war das sogenannte Tüpfelchen auf dem i.

 

Das war's. Der Teppich ist zwar deutlich dünner als gehofft, aber er fühlt sich unter den Füßen angenehm warm an. Seine Farben spielen in verschiedenen grau-beigen Nuancen und werden durch den braun-weiß gemusterten Streifen noch betont.

 

Der zweite Teppich

Die Wolle war längst nicht verbraucht. Die Versuchung, einen zweiten Teppich auf einem Webrahmen an der frischen Luft zu weben, war zu groß. Im Unterschied zum ersten Teppich sollten nun das Teppichkettgarn als Kette und die Wollstränge als Schuss genutzt werden.

Der Webrahmen dient auch als Schärrahmen.

Er wurde aus ein paar Latten zusammengezimmert und am oberen und unteren Ende mit einer Menge Nägeln für die Kette versehen. An den seitlichen Latten befinden sich ebenfalls Nägel in größeren Abständen für das Schären der Wollschüsse.

 

Die Nägel für die Kettfäden sind im Abstand von einem Zentimeter eingeschlagen. Die ersten Schussstränge bestehend aus jeweils acht Wollfäden sind gewebt. Durch die Leiste unten laufen die äußeren zwei Kettfäden. Sie dient somit als Maß für eine gleichbleibende Breite des Webstücks, bietet jedoch nicht die Funktion eines Breithalters.

 

So ganz hat es mit einer gleichbleibenden Breite des werdenden Teppichs nicht geklappt. Man sieht, wie die Wolle das Webstück zusammenzieht.

Die in die seitlichen Latten eingeschlagenen Nägel machen aus dem Webrahmen gleichzeitig einen Schärrahmen, der auch während des Webvorgangs genutzt werden kann.

 

Wenn der Webvorgang fortgeschritten ist, kann man das untere Ende des Rahmens nach oben drehen, damit man, ohne sich bücken zu müssen, weiter entspannt weben kann.

 

Es fehlt noch ein wenig Farbe. Da kommen die roten Wollreste gerade richtig. Sie werden ganz einfach an den Teppichenden eingenäht, verknotet ...

 

... und auf die gewünschte Länge gekürzt.

 

Der zweite Teppich ist fertig gestellt. Die roten Fransen aus Wollresten geben dem naturfarbenen Läufer einen gewissen Pfiff.

 

Ein Buchtipp:

Für alle, die Interesse an einer umfassenden Webanleitung haben, wie sie in der Webstube der Werkstatt Weddingstedt nicht gegeben werden kann, lohnt sich DAS GROSSE WEBBUCH von Laila Lundell. Das Buch ist 1978 in deutscher Übersetzung erschienen und wird im Antiquariat, wenn es gut erhalten ist, für circa 80 Euro angeboten. Es sollte in keiner Webstube fehlen. Auch in der Webstube der Werkstatt Weddingstedt ist es ein beliebtes Nachschlagewerk.

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