Die Nutzung alter Teleobjektive im digitalen Zeitalter

Das Fotografieren mit einer Kamera aus der vordigitalen Ära mittels Film ist, wenn man von speziellen Ausnahmen absieht, nicht mehr zeitgemäß. Ältere Objektive lassen sich jedoch mit einem Adapterring an moderne Digitalkameras anschließen. Der Reiz, insbesondere große, lichtstarke Teleobjektive auf diese Weise weiter nutzen zu können, liegt auf der Hand. Es wäre zu schade, diese Objektive, die den Fotografen über Jahre begleitet haben, so einfach gegen Neues auszutauschen. Auf Funktionen wie die Autofokussierung und die automatische Blendeneinstellung, an die wir uns inzwischen gewöhnt haben, muss man dabei allerdings verzichten. Die Adapter unterstützen eine Übertragung oder Steuerung dieser Funktionen von der Kamera zum Objektiv nicht oder das antiquierte Objektiv stellt sie nicht einmal zur Verfügung, so dass die schnell geknipste Aufnahme mit diesem Equipment nicht möglich ist.
Man könnte sagen, das Fotografieren mit älteren Objektiven entschleunigt den fotografischen Vorgang und wird dadurch wieder zum Photographieren. Es führt zu einer bewußteren Auseinandersetzung mit der fotografischen Tätigkeit, bei der man sich vor der Aufnahme Gedanken über die einzustellenden Größen wie Blende, Belichtungszeit und Lichtempfindlichkeit machen muss, um das Motiv so abzubilden, wie man es sich vorgestellt hat. Immerhin ist heute die Lichtempfindlichkeit nicht mehr von einem eingelegten Film abhängig. Moderne Digitalkameras besitzen Sensoren mit Lichtempfindlichkeiten, von denen man früher nur träumen konnte. Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit, das Foto auf dem Display der Kamera anzusehen und die Aufnahme gegebenenfalls mit korrigierten Einstellungen zu wiederholen. Nicht zu vergessen sind die Bearbeitungs- und Archivierungsmöglichkeiten der Fotos am PC, die einem ein ganzes Fotolabor und Archiv ersetzen können.
Ein Adapterring zwischen Objektiv und Kamera vergrößert den Abstand des Objektivs von der Sensorebene der Kamera um seine bauliche Länge. Zwar ist diese Vergrößerung gering und beträgt nicht mal einen Zentimeter, aber das macht sich schon deutlich bemerkbar. Man bringt das optische System mit einem Adapterring ohne Ausgleichslinse in einen Makromodus, bei dem man zwar näher liegende, nicht aber Motive in größerer oder "unendlicher" Entfernung, wie das folgende Bild belegt, scharf abbilden kann.

Das Foto wurde mit einer Canon EOS 6D (Vollformatkamera) und einem Canon FD-Teleobjektiv (600 mm Brennweite, Lichtstärke 1:4,5) aufgenommen. Der Objektivadapter ohne Ausgleichslinse bewirkt, dass die Schwäne nur verschwommen abgebildet werden können, da sie sich jenseits der scharf einstellbaren Entfernung befinden.*
Ein Adapterring mit Ausgleichslinse behebt diese Einschränkung. Der ursprüngliche Schärfenbereich des Objektivs steht mit ihm wieder zur Verfügung. Der Nachteil liegt darin, dass diese oft nicht hochwertigen Ausgleichslinsen insbesondere im Randbereich der Aufnahmen zu Unschärfe und Lichtverlust führen. Zudem kann bei einer im Durchmesser zu kleinen Ausgleichslinse der Randbereich des Sensors nicht belichtet werden, wie das folgende Bild zeigt.

Dieses Foto wurde mithilfe eines Objektivadapters mit Ausgleichslinse aufgenommen. Die Schwäne sind zwar scharf abgebildet, aber im Randbereich der Aufnahme werden die Nachteile eines solchen Adapters deutlich.*
Es stellt sich die Frage, wie bei der Nutzung älterer Objektive die Nachteile der zwischengeschalteten Adapter vermieden werden können. Realisieren ließe sich das nur, wenn man eine Verbindung zwischen Objektiv und Digitalkamera herstellen könnte, die ohne Adapterringe auskommt. Im Idealfall sollte außerdem der Abstand der Sensorebene der Digitalkamera zu seinem Objektivanschluss genau dem Abstand zwischen der Filmebene und dem Objektivanschluss der ursprünglich zum Objektiv passenden, filmbasierten Kamera entsprechen. Aber auch nur die Vermeidung der Adapteringe dürfte eine scharfe Abbildung entfernterer Motive wieder ermöglichen, selbst, wenn es nicht ganz bis zum Mond reichen sollte.
Wenn also ein Adapter nicht zwischen Kamera und Objektiv liegen darf, kann die logische Antwort nur heißen, dass das Objektiv von außen mit der Kamera verbunden werden muss. Natürlich wäre es einfacher, ein neues, zur Kamera passendes Objektiv mit allen seinen Vorteilen zu erwerben. Aber diese im Grunde sinnfreie Idee, ältere Objektive trotz der damit verbundenen Einschränkung ihrer Funktionatität mit einer Digitalkamera nutzen zu können, führte in der Werkstatt Weddingstedt dazu, zwei von außen an die optischen Systeme angepasste Adapter zu bauen.
Der Adapter für das Canon FD 600 mm 1:4,5

Hier sieht man den an das Objektiv angepassten Adapter aus Holz, der rechts mit einer Metallschiene zur Befestigung der Kamera versehen ist. Der Metallschlitten ist so dimensioniert, dass man das FD-Objektiv zusätzlich mit einem Tele-Konverter versehen kann, der die Brennweite von 600 auf 1200 mm verländert.

Das Objektiv kann links mit einer Stativ-Adapterschraube (an seinem Stativfuß) und rechts mit einer hölzernen Schelle am Adapter befestigt werden. Die Kamera lässt sich an ihrem Stativgewinde mit der Metallschiene des Adapters verbinden. Zusätzlich kann sie mit Bändern lückenlos gegen das Objektiv gezogen werden (siehe die zwei folgenden Fotos).

Die Kamera und das Objektiv sind mithilfe des extern angebrachten Adapters verbunden worden. Da das Objektiv auf die Belichtung von Kleinbildfilmen ausgelegt ist, ist es sinnvoll, eine Vollformatkamera mit ihm zu kombinieren, deren Sensorgröße einem Kleinbildfilmnegativ von 36 mm x 24 mm entspricht.

Der Adapter wurde speziell an das Canon FD-Objektiv mit 600 mm Brennweite angepasst. Von Nachteil ist, dass er nur mit diesem Objektiv eingesetzt werden kann.
Das Ergebnis der Bemühungen lässt sich auf dem folgenden Bild beurteilen. Die durch die Adapterringe hervorgerufenen Nachteile (veränderter Schärfeneinstellungsbereich, Vignettierung, unvollständige Belichtung des Sensors, siehe oben) konnten durch den neuen Adapter deutlich reduziert bzw. behoben werden.

Dieses Foto wurde mithilfe des in der Werkstatt Weddingstedt entwickelten und hergestellten externen Objektivadapters aufgenommen.*
* Die drei Beispielbilder mit den Schwänen entstanden im Katinger Watt und wurden vom selben Standort aus aufgenommen. Die Fokussierung des Objektivs war bei allen drei Bildern auf "unendlich" eingestellt.
Der Adapter für das Canon FD 300 mm 1:2,8L






Bild 1 Der zweischichtig aus Lärchenholz gebaute Adapter hat rechts eine Öffnung, für den Stativschuh des Objektivs. Links lässt sich die Kamera an ihrem Stativgewinde anschrauben.
Bilder 2 - 4 Der kleine Stativschuh am Objektiv eignet sich gut zur Befestigung des externen Adapters. Dieser muss nur über den Schuh geschoben werden und benötigt keine weitere Fixierung.
Bild 5 Die Kamera ist positioniert. Sie lässt sich auf dem Adapter so weit verschieben, dass zusätzlich ein Telekonverter zwischen Objektiv und Digitalkamera eingesetzt werden kann. Die Bänder zur Befestigung der Kamera am Objektiv werden hier nicht gezeigt. Sie sind jedoch für eine stabile und spaltfreie Verbindung mit dem Objektiv wichtig, damit kein Falschlicht (englisch: stray light) durch einen Spalt zwischen Objektiv und Kamera eindringen kann.
Bild 6 Und ja: Der Adapter sieht nicht nur so aus, man kann mit ihm auch Kronenkorken öffnen.
Die Stunde der Wahrheit
Hinsichtlich der Abbildungsschärfe von Motiven, die in unendlicher Entfernung liegen, erzielt man mit den in der Werkstatt Weddingstedt gebauten Objektiv-Adaptern (mittleres Mond-Bild) zwar nicht ganz die Ergebnisse, die mit einem Objektivadapter mit Ausgleichslinse (rechtes Bild) möglich sind. Im Vergleich mit einem Foto, das mit einem Adapterring ohne Ausgleichslinse gemacht wurde (linkes Bild, der Mond liegt weit außerhalb des durch den Adapter zum Makrobereich verschobenen Abbildungsbereichs), erhält man allerdings ein deutlich schärferes Bild.
Der Mond ist also für die Adapter der Werkstatt Weddingstedt ein wenig zu weit entfernt. Das liegt daran, dass das FD-Objektiv nicht in die Fassung der EOS-Digitalkamera eingeschraubt werden kann. Dadurch ist der Abstand vom Linsensystem des FD-Objektivs zum Aufnahmesensor immer noch etwas größer als zur Filmebene einer zum FD-Objektiv passenden Kamera und ein leichter Makroeffekt bleibt erhalten.

Die drei Fotos wurden mit einer Canon EOS 6D und einem Canon FD-Teleobjektiv mit 600 mm Brennweite aufgenommen. Die Entfernung war am Objektiv auf "unendlich" eingestellt. Kamera und Objektiv wurden mit einem Adapterring ohne Ausgleichslinse (linkes Bild), einem extern ansetzenden Adapter der Werkstatt Weddingstedt (mittleres Bild) und einem Adapterring mit Ausgleichslinse (rechtes Bild) verbunden. Vignettierungen durch die Ausgleichslinse spielen hier keine Rolle, da es sich bei den Fotos um Bildausschnitte handelt, auf denen die Randbereiche nicht zu sehen sind.
Fazit
Es hat Spaß gemacht, die extern anbringbaren Objektivadapter zu bauen. Und es macht Spaß, die alten FD-Objektive mit ihrer Hilfe in Kombination mit einer Digitalkamera zu nutzen, denn die Erweiterung des Schärfebereichs, der dem ursprünglichen Umfang sehr nahe kommt, ist im Vergleich mit einem Adapterring ohne Ausgleichslinse enorm. Ihre Handhabung ist allerdings umständlich und daher für einen nicht stationären Gebrauch eher ungeeignet. Will man also die alten Objektive nutzen, wenn man unterwegs ist, sollte man einen Adapter mit Ausgleichslinse einsetzen. Die Nachteile (Randunschärfe und Vignettierung) lassen sich ausschalten, indem man bei der Bearbeitung der Fotos mittige Bildausschnitte wählt.
Erstelle deine eigene Website mit Webador